Stressmedizin und Hören
Stressmedizin befasst sich – aus diagnostischer, therapeutischer und wissenschaftlicher Sicht – mit Beschwerden, Symptomen und Krankheiten, die durch ein Missverhältnis von Anforderungen und Ressourcen in Alltag und Berufsleben hervorgerufen, unterhalten oder verschlechtert werden sowie mit Möglichkeiten dieses Missverhältnis zu verbessern. Sie sucht nach Wegen, durch präventive Ansätze – individuell und in Systemen (Familie, Betrieb, Schule ) – stressbedingte Störungen zu vermeiden. Stressmedizin befasst sich also mit „Allem“, was Menschen helfen kann „trotz Stress“ gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden (Zitat „Forum Stressmedizin“). Stress kann durch vielfältige äußere und innere Faktoren entstehen. Einer dieser Faktoren ist Lärm. Lärm reduziert nicht nur die Lebensqualität, sondern kann zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen. Unter Lärm werden unerwünschte Geräusche verstanden, die zu einer Belästigung, Störwirkung, Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit und der Konzentrationsfähigkeit, zu besonderen Unfallgefahren oder Gesundheitsschäden führen. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung fühlen sich zumindest zeitweise durch unerwünschte und störende Geräusche belästigt. Trotz vielfältiger Vorschriften nimmt Lärm, insbesondere auch Verkehrslärm, permanent zu. Das Umweltbundesamt teilte mit, dass pro Jahr 40 Hektar Fläche zusätzlich als Verkehrsfläche ausgewiesen werden. Lärm beeinträchtigt naturgemäß die lautsprachliche Kommunikation und die sprachliche Entwicklung bei Kindern. Lärm führt nicht selten zu Schlafstörungen mit den bekannten negativen Folgen wie Konzentrationsschwäche, eingeschränkter Gedächtnisfunktion etc. Andererseits besteht eine enge Beziehung zwischen primärem Stress einerseits und sekundärer Hörverschlechterung bzw. Tinnitus andererseits, was in der Literatur oft dargestellt wird. Ausreichend belegt ist beispielsweise der enge Zusammenhang zwischen emotionalem Stress und dem erhöhtem Risiko für das Auftreten einer Menière-Symptomatik (plötzlich auftretend: Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Hörverlust), wobei rein physikalischer Stress in keiner Erhöhung des Risikos resultiert. Ebenfalls gezeigt werden konnten chronisch stark erhöhte Spiegel des Stresshormons Cortisol bei hochbelastete Tinnituspatienten. Die Bewältigungsstrategien der Patienten mit Tinnitus scheinen nach Studienergebnissen bei stressbezogenen Situationen scheinbar weniger effektiv zu sein und die Patienten sind mehr gestresst als HNO-Patienten ohne Tinnitus. Stress als pathogenetisch wichtiger Parameter bei Patienten mit Tinnitus und Hörstörungen war bisher nur durch psychologische Diagnostik evaluierbar. Objektive Instrumentarien für die Diagnostik von emotionalem Stress bei Tinnituspatienten standen bisher nicht zur Verfügung. Im Rahmen eines neuen Forschungsvorhabens führen wir erstmals eine chronobiologische Stressdiagnostik bei Patienten mit chronischem Tinnitus durch. Mit dieser Methode ist die objektive Messung des Stressverhaltens von Probanden u.a. über den Hautwiderstand möglich. Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Dysregulation des sympathisch-emotionalen Systems bei Patienten mit chronischem Tinnitus aurium. Durch Selbsteinschätzung bedingte, subjektive Einflüsse auf das Testergebnis fehlen. Durch die apparative Meßmethode wird der Beschwerdegrad unmittelbar nachvollziehbar, was einen Vorteil für das Krankheitsverständnis des Patienten darstellen kann. Der Alltagsablauf kann individuell geändert werden und der Erfolg für den Betroffenen wird sofort messbar. |